Die Mistel: Zutat für den Zaubertrank
Heilpflanze, Deko, Parasit: Die Mistel begleitet den Menschen schon von Anbeginn der Geschichte. Wie man die Mistel verwenden kann und welche Bräuche es um die magische Heilpflanze gibt, erfahren Sie hier.
29.12.2021
In diesem Beitrag erfahren Sie:
- warum Misteln in Bäumen wachsen
- für welche Therpieformen die Mistel verwendet wird
- wie Sie einen Misteltee einfach selbst herstellen können
- was es für Bräuche rund um die Mistel gibt
Die Mistel in der Geschichte
Schon in antiken Texten und Überlieferungen der nordischen Mythologie ist die Mistel zu finden. Vom römischen Gelehrten Plinius stammt die Beschreibung des keltischen Druidenkultes um die Eichenmistel, die mit einer vergoldeten Sichel vom Baum geschnitten wurde. Diese Geschichte ist sehr wirkmächtig, wurde immer wieder abgeschrieben. Auch der Autor von »Asterix und Obelix« schilderte anschaulich die Mistelernte und Zaubertrankherstellung durch den Druiden Miraculix.
Bereits in vorchristlicher Zeit soll ein Mistelzweig angebracht am Hausgiebel den Donner bannen, das Böse abhalten, einen Abwehrzauber auf Haus, Hof und kleine Kinder legen. Wie vom Himmel gefallen wächst der Mistelstrauch auf Bäumen – aus diesem Bild heraus ist die frühe arzneiliche Verwendung der Mistel als Mittel gegen Fallsucht (Epilepsie) belegt.
Misteln in der Natur
Fast kugelig, scheinbar unabhängig von Licht und Schwerkraft, sitzt die Mistel als immergrüner Strauch auf Bäumen auf, ohne eigene Wurzel, schwebend in der Luft. Im Winter ist sie gut von Weitem sichtbar, wenn die Blätter der Laubbäume gefallen sind. Von Nahem nimmt man ihre eigenartige Form wahr, die gabeligen Verzweigungen tragen am Ende zwei lanzettliche, ledrige, gelbgrüne Blätter. Die Pflanze entwickelt sich sehr langsam, bis sie nach fünf Jahren die kugelige Form einnimmt und zum ersten Mal im Winter blüht. Während sie sehr langsam weiterwächst, können viele Jahrzehnte vergehen. Der Strauch ist zweihäusig, das heißt, es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Letztere haben unscheinbare Blüten in der Mitte der Gabelung. Dort entwickeln sich auch die Mistelbeeren, die etwa erbsengroß sind. Die weißen Früchte enthalten einen Schleim, welcher der Mistel bei der Vermehrung hilft. Der Schleim ist klebrig und wenn Vögel wie die Mönchsgrasmücke die Beeren erbeuten und später ihren Schnabel abstreifen, platzieren sie dabei die Samen am nächsten Baum. Als Lieferantin von Wintervogelfutter hat die Mistel einen wichtigen Platz im Ökosystem.
Darum wachsen Misteln auf Bäumen
Die Mistel ist ein Halbschmarotzer, sie braucht andere Pflanzen, in diesem Fall Laub- und Nadelbäume. Je nach Wirtsbaum unterscheiden sich Zusammensetzung und Gehalte ihrer Wirkstoffe. Mit ihrem Senker, eine Art Wurzel, zapft sie hoch oben die Wirtsbäume an und saugt Wasser, Mineralstoffe und Nährstoffe ab. Mit ihren grünen Blättern kann sie auch selbst Photosynthese betreiben. Zwar nehmen sie den Wirtbäumen Platz und Licht für ihre eigene Entwicklung weg, aber da Misteln ihren Baum brauchen, stirbt er nicht durch den Mistelbefall. Nur wenn sich zu viele Misteln im Baum einnisten, geht er früher oder später ein. In einigen Gegenden sind Streuobstwiesen durch starken Mistelbefall bedroht.
Ist die Mistel eine Heilpflanze?
Dieses Platzwegnehmen und Aussaugen erinnert an Krebserkrankungen beim Menschen, weshalb die Mistel medizinisch schon seit Jahrhunderten bei diesen eingesetzt wird.
Die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe variiert nicht nur abhängig vom Wirtsbaum, sondern auch von Jahreszeit und Alter. Die wichtigsten Gruppen sind die Mistellektine (Proteine) und Viskotoxine (basische Polypeptide).
Die Mistelpflanze wird in vier Therapiesystemen verwendet:
- In der Phytotherapie
- In der Homöopathie
- Traditionell/volksmedizinisch
- In der anthroposophischen Medizin bei Krebsbehandlungen (Teil 2 dieser Mistel-Kolumne in BIO 1|22 » und bald auf biomagazin.de)
1. Die Mistel in der Phytotherapie
Bei der Therapie von entzündlichen Gelenkerkrankungen werden wässrige Mistelextrakte in Ampullenform zusammen mit einem Lokalanästhetikum in die Haut gespritzt.
Bei der Injektion kommt es oft zu einem Schmerz, ähnlich wie bei einem Bienenstich. Anschließend tritt eine sogenannte Heilreaktion auf, mit Entzündungen, Rötungen und Schwellungen. Diese klingen nach Tagen wieder ab und eine Linderung der Gelenkerkrankungen stellt sich ein. Diese Therapie gehört in die Hand erfahrener, naturheilkundlich ausgerichteter Orthopäd*innen.
Gibt es Nebenwirkungen bei der Misteltherapie?
Bei einer Injektion können Schüttelfrost, hohes Fieber, Kopfschmerzen, Brustschmerzen mit Engegefühl, Kreislaufstörungen beim Aufstehen und allergische Reaktionen bis zum Schock auftreten. Bei konzentrierten Injektionen in die Haut kann es zu Hautentzündungen mit Absterben des Gewebes kommen.
Wer sollte keine Misteltherapie machen?
Mistelextrakte solten nicht angewendet werden bei
- bekannter Eiweißüberempfindlichkeit
- chronisch fortschreitenden Infektionen wie Tuberkulose
- in der Schwangerschaft und Stillzeit
2. Die Mistel in der Homöopathie
Die homöopathischen Zubereitungen werden vor allem angewendet bei
- hohem und niedrigem Blutdruck
- Schwindelgefühl
- Kopfschmerzen und Migräne
- Herzkranzgefäßverengung und Herzrhythmusstörung
- Verschleißkrankheiten der Gelenke, Arthrose und Rheumatismus
Häufig sind eher niedrige Potenzen D2, D4, D6 als Globuli, Tabletten zum Einnehmen oder Ampullen zum Spritzen.
3. Traditionelle Anwendung
In Tropfen, Tabletten oder Kapseln werden die Wirkstoffe der Mistel traditionell zur Unterstützung der Kreislauffunktion angewendet. Zusammen mit Knoblauch und Weißdorn ist Mistel auch in Mitteln gegen Arterienverkalkung enthalten.
Rezept für Misteltee gegen leichte Kreislaufbeschwerden
- 1 Teelöffel voll Mistelkraut (ca. 2,5 g) mit kaltem Wasser übergießen
- 10–12 Stunden bei Raumtemperatur stehenlassen und dann durch ein Teesieb geben.
- Um Keime abzutöten, kann der Sud anschließend kurz aufgekocht werden.
Bei Kreislaufbeschwerden trinken Sie ein- bis zweimal täglich eine Tasse.
Die Mistel zu Weihnachten
Als immergrüne Pflanze spielt die Mistel in den vorchristlichen Winterbräuchen um die Wintersonnenwende eine Rolle, einige wurden vom christlichen Brauchtum aufgenommen. In England gibt es den Brauch, sich traditionell an Weihnachten unter einem Mistelzweig zu küssen. Auch in unseren Breiten wird die Mistel als Weihnachtsschmuck und -deko immer beliebter.
Abgeschlagen von der Wirtspflanze hält sie sich aber nur begrenzte Zeit, sie vertrocknet und bröselt. Zudem sind alle Pflanzenteile, besonders aber die Beeren, giftig, gerade für Kinder und Haustiere. Misteln stehen zwar nicht überall unter Naturschutz, trotzdem ist es nicht in Ordnung, die über Jahrzehnte gewachsene Pflanze für ein kurzes dekoratives Vergnügen in ihrem Bestand zu dezimieren. Während Misteln in geringem Maße für medizinische Zwecke angebaut werden, stammen die Pflanzen, die man zur Weihnachtszeit kaufen kann, oft aus Wildsammlungen. Alternativ empfiehlt sich auf weihnachtliches Geschirr oder Tischwäsche mit dem Motiv der anmutigen Pflanze auszuweichen.
Text: Sabine Brehme
Bearbeitung durch die Onlineredaktion
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Dr. Sabine Brehme » hat als Fachapothekerin für Klinische Pharmazie und Gesundheitsberatung jahrelange Berufserfahrung in den Bereichen Arzneimittelsicherheit und Ernährungsberatung. Sie arbeitet in der Zentralapotheke eines großen Klinikverbundes in Düsseldorf und gibt ihr Wissen seit 25 Jahren als Dozentin weiter.
In ihrer BIO-Kolumne wirft sie regelmäßig einen kritischen Blick auf die Trends bei den zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln.