Die Welt der Alternativ-Therapien

Heilen mit Kälte: Bei welchen Leiden sie uns hilft

In der achten Folge unserer Serie »Die Welt der Alternativ-Therapien« erklärt Ihnen Dr. med. Andreas Michalsen, welche verschiedenen Formen der Kältetherapie Sie sich zunutze machen können, um Schmerzen zu lindern und die körpereigene Abwehr zu stärken.

30.07.2024

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In diesem Beitrag erfahren Sie,

Die Wirkungsweise der Kältetherapie

Schon im 19. Jahrhundert haben Ärzte und medizinische Laien beobachtet, dass ein zeitlich begrenzter Kältereiz ein Heilmittel sein kann. Der Pfarrer Sebastian Kneipp und der Naturheiler Vincenz Prießnitz wurden für ihre Wasser- und Kältetherapie berühmt. Sie behandelten ihre Patient*innen mit kalten Güssen, Bädern und Waschungen und verzeichneten damit bei einer Vielzahl von Erkrankungen Erfolge.

Reizen wir den Körper, fordern wir ihn aktiv, dann beginnt er seine Selbstheilungsfähigkeit zu verstärken. Bei der Therapie mit Wärme und Kälte, der Thermotherapie, wird der Körper durch eine überdurchschnittliche Temperaturanwendung stimuliert, auf die eine eine Gegenreaktion folgt. Die typische Gegenreaktion nach einem Kältereiz ist, dass sich der Körper wieder erwärmt. Das ist das wichtigste Prinzip der Kältetherapie: Kälte soll keine Kälte erzeugen, sondern die körpereigene Wärmeproduktion anregen und den Körper stärken und abhärten.

Wärme- und Kälteregulation beeinflussen folgende Bereiche des Körpers:

  • Blutgefäße und Blutdruck
  • Herz und Lungen
  • Stoffwechsel
  • Blutzucker
  • Immunsystem

Wie viel Kälte ist für den Körper gesund?

Wird der Körper mit Kaltduschen, kalten Güssen oder dem kalten Tauchbad nach der Sauna gegen Kälte »trainiert«, funktioniert auch die körpereigene Abwehr gegen eine Erkältung besser. Es ist der richtig dosierte Kaltreiz, der die Gesundheit fördert. Kälte kann vitalisieren und stärken, ist sie jedoch zu stark oder dauert zu lange, kann sie schwächen und eine Erkältung verursachen.

Anwendungsmöglichkeiten von Kälte

In der medizinischen Behandlung gibt es zwei grundsätzliche Formen der Kältetherapie: die lokale und die systemische.

Lokale Kältetherapie

Die lokale Kälteanwendung ist im engeren Sinne keine Reizreaktion. Hier wird gekühlt, um Schmerz zu lindern und die Durchblutung kurzfristig zu reduzieren, was etwa bei einer Entzündung hilfreich ist. Kühlende Anwendungen helfen auch nach Bienen- oder Wespenstichen oder anderen Arten von lokalen geröteten Entzündungen. Typische kühlende Anwendungen in der Naturheilkunde sind der Quark- und der Zitronenwickel.

Systemische Kältetherapie

Die bekannteste Form der systemischen Kältetherapie ist die von Sebastian Kneipp entwickelte Kneipptherapie. Dazu zählen kalte oder wechselwarme Güsse sowie kalte Bäder, Wechselbäder und das Wassertreten. Ein wichtiger Grundsatzaspekt der Kneipptherapie ist, dass sich das Areal nach der Behandlung wieder eigenständig erwärmen können soll. Es ist nicht das Ziel, dass man nach einer Anwendung stundenlang kalte Füße hat.

Je nach Beschwerde kommen unterschiedliche Kneippgüsse und Bäder zum Einsatz. So werden beispielsweise wiederkehrende Blasenentzündungen, aber auch Schlafstörungen mit kalten Güssen behandelt. Der Gesichtsguss gilt als Wachmacher und als Kosmetikum für die Haut. Eine Steigerung der Kneippgüsse ist das Ganzkörperkaltbad oder im Winter das Eisbad. Nachgewiesen sind für kalte Ganzkörperbäder abhärtende Wirkungen sowie günstige Effekte auf das Immunsystem. Wichtig ist bei der Kältetherapie, den Körper schrittweisezu gewöhnen. Menschen mit Herzbeschwerden und Herzrhythmusstörungen sollten nicht eisbaden.

Wie funktionieren Kältekammern?

Eine neuere Entwicklung der Kältetherapie ist die systemische Kryotherapie mit Kältekammern. Diese haben eine Temperatur von minus 110 bis 150 Grad Celsius. Man verweilt dort anderthalb bis drei Minuten.

Die Wirkungen dieser Form der Kältetherapie sind sehr eindrücklich:

  • Linderung von Schmerzen
  • Hemmung von rheumatischen Entzündungen
  • Schnellere Regeneration nach sportlichen Leistungen
  • Verbesserung der Stimmung

Für alle systemischen Kältetherapien gilt, dass sie sich nicht für Patient*innen mit akut stark erhöhtem Blutdruck eignen. Menschen mit Bluthochdruck sollten die Kälteanwendungen mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin absprechen. Langfristig und behutsam angewendet, ist Kälte allerdings gut für den Bluthochdruck, durch die Gegenregulation werden die Gefäße trainiert. Sich etwas mit Kälte anzufreunden, bringt also Vorteile – nicht nur in Bezug auf die Heizkosten.

Text: Prof. Dr. med. Andreas Michalsen
Bearbeitung durch die Onlineredaktion (km)

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen » ist Professor für Klinische Naturheilkunde der Charité Berlin und Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Ernährungsmedizin, das Heilfasten und die Mind Body-Medizin. Diese Kolumne schreibt er im Wechsel mit Dr. Isabel Bloss », Ärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilmedizin, Anthroposophische Medizin und Traditionelle Chinesische Medizin.

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Diese Folge finden Sie in: 

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