Waldbaden: So funktioniert es
Einfach mal abschalten – der Aufenthalt im Wald macht's möglich. Nebenbei regeneriert der Körper, der Stresspegel sinkt, wir fühlen uns rundum wohl. Die Wald-Gesundheitstrainerin Michaela Dalchow kennt die vielfältigen positiven Wirkungen auf Körper, Geist und Seele.
31.08.2022
In diesem Beitrag erfahren Sie:
- warum Waldbaden gesund ist
- was Waldbaden ist
- welche Übungen es fürs Waldbaden gibt
Warum uns ein Aufenthalt im Wald guttut
Viele Menschen wissen es: Wald tut gut. Der eine kennt die wissenschaftlichen Hintergründe und der andere spürt es intuitiv. Es ist einfach wohltuend, beruhigend und harmonisierend, die unterschiedlichen Grüntöne der Laub- und Nadelbäume sowie der Sträucher und Gräser zu erleben. Ebenso wie diese Farbbotschaften wirken auch die Gerüche im Wald positiv auf die Menschen, allen voran der belebende und frische Duft der Erde nach einem warmen Sommerregen. Wenn Regentropfen auf die Erde fallen, werden dabei unter anderem ätherische Öle verwirbelt, zum Beispiel von der Kiefer, Fichte, Tanne oder Zypresse. Sie sind angereichert mit Phytonziden, die das menschliche Immunsystem stärken.
Neben den visuellen sensorischen Reizen oder den olfaktorischen (Geruch) gibt es im Wald vor allem die auditiven. Sie sind jedoch meist sanft und unaufdringlich wie der Ruf eines Käuzchens, das Klopfen eines Spechts, das Rascheln einer Maus im Laub, das Rauschen der Blätter oder das Geräusch eines Baches. Diese Eindrücke werden als »sanfte Faszination« bezeichnet, das bedeutet, die Menschen begegnen ihnen mit einer ungerichteten Aufmerksamkeit; es ist nicht anstrengend, sie wahrzunehmen, und es bedarf keiner Bemühungen. Im Gegenteil, die Unaufgeregtheit des Waldes wird als besonders angenehm empfunden, nicht umsonst werden die Geräusche und Düfte des Waldes in Form von Musik und ätherischen Ölen in Reha-Zentren, Wellness-Räumen oder Hotels eingesetzt.
So gesund ist Waldbaden
Für die Gesundheit förderliche Aspekte sind:
- Die Entlastung der Lungen und Bronchien durch die schadstofffreie Luft im Wald
- Die Steigerung der Anzahl und Aktivität der natürlichen Killerzellen
- Die Senkung des Stresshormons Cortisol und des Blutdrucks
- Die Aktivierung des »Nervs der Ruhe« (Parasympatikus) und dadurch Entspannung
- Die Stärkung des Gleichgewichtssinns durch das Laufen auf unebenem Boden
- Die Schonung von Fuß- und Kniegelenken
Beim Waldbaden mit der Natur verschmelzen
Kein Zweifel, es gibt viele gute Gründe, um regelmäßig in den Wald zu gehen, immer wieder tief durchzuatmen und bewusst wahrzunehmen, was einen umgibt. Denn genau das ist es, was das Waldbaden vom Joggen, Wandern, Walken und auch vom Spazierengehen unterscheidet:
Waldbaden ist das Abtauchen in die Atmosphäre des Waldes und das bewusste Wahrnehmen mit allen Sinnen – achtsames Sein im Ökosystem Wald.
Der Wald ist nicht Kulisse für eine Aktivität, sondern er steht im Mittelpunkt, er ist es, um den sich alles dreht. Deshalb geht es darum, nicht nur etwas im Wald zu tun, sondern vor allem mit ihm. Dann treten mentale Entspannung und Regeneration ein und auch die Seele kann mitreisen. Sich Zeit nehmen, schlendern, gewohnte Pfade einmal verlassen, Neues entdecken und über das ein oder andere kleine Waldwunder staunen. Um die Schönheit zu erkennen, muss man manchmal etwas genauer hinschauen oder vielleicht sogar ein Weilchen stillstehen oder -sitzen. Mit der Natur verschmelzen und auf die scheuen Waldbewohner warten. Wenn dann Hirsche vorbeitraben oder ein Kleiber an einem Baumstamm hochklettert, wird das Herz berührt und die Seele lacht.
Übungen fürs Waldbaden im Herbst
Naturerlebnisse zählen zu den emotionalsten Eindrücken, die Menschen haben können. Und das kann etwas ganz Einfaches sein, was nicht 10.000 Kilometer entfernt auf einem anderen Kontinent liegt, sondern um die Ecke im heimischen Wald. Der bereits seit der eigenen Kindheit da ist und von dem man glaubte, dass er nicht viel zu bieten hat. Die Kunst ist nun, ihm mit Achtsamkeit zu begegnen. Betreten Sie ihn langsam und betrachten Sie ihn neugierig, als würden Sie ihn zum ersten Mal sehen. Da hilft es tatsächlich, mal andere Wege zu gehen und wie ein Pilzsammler den nächsten Trampelpfad einzuschlagen.
Jede Jahreszeit im Wald hat ihren besonderen Reiz und eine wunderbare Zeit für das Waldbaden ist sicherlich der Herbst. Die Farbenvielfalt der Laubbäume wie Ahorn, Birke, Eiche, Kastanien oder Buche sowie die herrlichen Baumfrüchte wie Buchecker, Eicheln, Kastanien oder Walnüsse bieten tolle Möglichkeiten für abwechslungsreiches Waldbaden:
- Die zu Boden gefallenen Blätter lassen sich nach Farben sortieren – von Grün über Gelb bis hin zu Orange und Rot
- Mit den Früchten können Sie ein schönes Bild wie ein Herz oder ein Mandala legen oder Sie lassen Ihrer Fantasie freien Lauf und schaffen mit Naturmaterialien eigene Kunstwerke
- Angelehnt an einen Baum, können Sie entspannt dem Wind lauschen oder beobachten, wie er die Blätter von den Bäumen regnen lässt
- Ein erfrischender Herbstregen hat die Bachbetten gefüllt und das Wasser fließt über die Steine, vielleicht gibt es einen Mini-Wasserfall. Sie können das Fließen des Wassers beobachten, ein Blatt in den Bach werfen und ihm hinterherschauen, bis es verschwindet
- Wenn Sie die Füße ins Wasser tauchen, können Sie die kleinen Steine auf dem Untergrund spüren
Waldbaden: lieber allein oder zu zweit?
All das sind Dinge, die Sie allein, zu zweit oder zu mehreren unternehmen können. Wenn Sie allein unterwegs sind, können Sie sich voll und ganz der Natur und den erlebten Momenten hingeben. Niemand stört Sie in Ihrem Empfinden, in Ihrer Wahrnehmung, und Sie machen nur das, was Sie machen möchten. Das hat den Vorteil, dass Sie wirklich ganz und gar Ihrer Intuition folgen und Kontakt zur Natur aufnehmen können, ohne abgelenkt zu werden.
Wenn Sie zu zweit sind, können Sie gemeinsam Übungen wie zum Beispiel »Blind laufen« machen. Dabei verbindet Person A sich die Augen oder schließt sie, hakt sich bei Person B unter und lässt sich langsam führen. Oder Person B steht oder sitzt, schließt die Augen, streckt beide Hände nach vorn aus und lässt sich von Person A mit Naturmaterialien berühren. Danach rät sie, womit sie berührt wurde. Oder Sie gehen in einer Gruppe und machen Einzel-, Paar- und Gruppenübungen, mit und ohne Anleitung.
Waldbaden unter Anleitung
Alleine waldzubaden ist sicherlich etwas für Geübte, denn sie benötigen keine Impulse mehr von außen, um eine Naturverbindung aufzubauen oder zu intensivieren. Auch sich auf das Waldbaden zu fokussieren, ohne sich Wege merken zu müssen und sich auch in unbekannter Umgebung sicher und wohl zu fühlen, ist Übungssache. Daher ist es am Anfang besser, sich einer Gruppe anzuschließen unter der Leitung eines erfahrenen Waldbaden-Guides, um so erst einmal die Grundlagen und erste Übungen zu lernen.
Waldbaden lässt sich mit Erwachsenen, aber auch mit Jugendlichen und Kindern praktizieren. Dabei sollte unterschieden werden, ob es sich um Natur-Anfänger*innen oder -Erfahrene handelt. Die Menschen haben im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Erfahrungen mit Natur oder Wald gemacht, außerdem kann es auch beim Waldbaden durchaus in die Tiefe gehen. Daher ist es wichtig, die Teilnehmer*innen langsam an Erlebnisse und Emotionen, die der Wald hervorruft, heranzuführen. Gelingt das, dann ist das Waldbaden für jeden gut praktizierbar und unbedenklich.
Text: Michaela Dalchow
Bearbeitung durch die Onlineredaktion
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