Wie Algen das Klima retten können
Algen waren die ersten Pflanzen auf der Erde. Wir verdanken ihnen den Sauerstoff in der Atmosphäre und somit auch unser Leben auf diesem Planeten. Als nachhaltige Rohstoffquelle für eine biobasierte Wirtschaft könnten sie auch die Nutzpflanze der Zukunft sein.
03.08.2021
Noch heute sind Algen die mit Abstand wichtigsten Sauerstoffproduzenten – und bringen die größte Pflanzenmasse auf die Waage. Das liegt daran, dass Meere den größten Teil der Erdoberfläche bedecken. Doch nicht nur in den Meeren, Flüssen und Seen, sondern auch in Wassertropfen, auf Schnee und sogar an Land treten Algen auf – hier in Symbiose mit Pilzen, zum Beispiel auf Bäumen oder Mauern.
In diesem Beitrag erfahren Sie
• welche Algenarten es gibt
• warum Algen wahre Überlebenskünstler sind
• wie Algen gezüchtet werden
• inwiefern Algen im medizinischen Bereich genutzt werden können
• welche Algenarten als nachhaltige Rohstoffe genutzt werden können
Algenarten
Unter den rund 30.000 bekannten Arten gibt es solche, die nur wenige Mikrometer groß werden, und andere, die einige Meter erreichen.
Die Algenwelt ist aufgeteilt in vier Grundfamilien:
• Grünalgen
• Braunalgen
• Rotalgen
• Blaualgen (die eigentlich Cyanobakterien sind)
Ihrer Größe nach unterscheidet man Mikroalgen, zu denen Süßwasseralgen wie Spirulina oder Chlorella gehören, und Makroalgen, worunter vorwiegend Meeresalgen fallen.
Ernährung der Zukunft
Die Zukunft der Algen beruht in der Fülle der ihnen zugeschriebenen gesundheitlichen Effekte und auf ihrer möglichen Rolle bei der Ernährung der Menschheit, schließlich sind die Landflächen begrenzt und die Fischbestände längst übernutzt. Das Potenzial der Algen, ob wild geerntet oder gezüchtet, ist hingegen schier unendlich.
Es ist vor allem ein Aspekt, der Algen für die Gesundheit, die Kosmetik und die Ernährung so interessant macht: Es ist ihr Leben unter teils extremen Bedingungen mit großen Temperaturschwankungen, starker Sonneneinstrahlung, zeitweiliger Trockenheit oder auch schwankenden Salzkonzentrationen. Algen kompensieren diese Umwelteinflüsse durch spezielle biochemische Mechanismen, die die Algenkosmetik und die Pharmaindustrie verstärkt nutzen möchte.
Auch ihre Art, Nährstoffe aufzunehmen, macht einen Blick auf Algen lohnenswert: Da sie keine Wurzeln haben, ziehen sie ihre Nährstoffe mittels Osmose direkt aus dem Wasser. Algenzellen können um ein Vielfaches mehr Nährstoffe speichern, als es andere Pflanzen können, ihr Gewebe besitzt daher die höchste Dichte an Nährstoffen im Pflanzenreich.
So werden Algen gezüchtet
Algen benötigen nicht viel zum Wachsen, lediglich Nährstoffe, Licht, Wasser und Kohlendioxid – aber keine fruchtbaren Böden. Sie lassen sich so in Schlauchsystemen in trockenen, sonnigen Halbwüsten produzieren.
Spezielle Algenfarmen vermehren Makroalgen auf Substraten wie Leinen und Netzen im Meer oder kultivieren sie in Becken. Vor allem die Mikroalgen werden in speziellen Behältern vermehrt. Dadurch bleiben zum einen die natürlichen Ökosysteme unbeeinträchtigt, zum anderen ist sichergestellt, dass die Algen nicht mit Schadstoffen oder Mikroplastik aus den Gewässern belastet sind. Für Zucht wie Wildsammlung gibt es in der EU Bio-Standards. Besondere Richtlinien hat auch der Verband Naturland » entwickelt, der sich intensiv mit Aquakultur auseinandersetzt.
Algen in der Medizin
Sicher ist, dass Algen ein großes Spektrum an pharmazeutischen Wirkstoffen enthalten – das macht sie auch für Forschung und Industrie interessant. So haben jüngst Forscher*innen der Hochschule Greifswald einen Stoff aus Mikroalgen aus der Ostsee extrahiert, der gegen gefährliche resistente Keime wirkt. Bisher kommt der Wirkstoff nur in einer Handcreme zum Einsatz.
Insgesamt bewegen sich Medizin- und Pharmaindustrie meist noch in der Grundlagenforschung. Dabei interessieren sie sich zum Beispiel für die Algenfarbstoffe Chlorophyll und Carotinoide sowie Gerüstsubstanzen wie Fucoidane. Bei diesen konnten in wissenschaftlichen Labor- und Tierstudien bereits Wirkungen gegen Viren, Bakterien und Krebszellen sowie bei der Wundheilung nachgewiesen werden. Es gibt Hinweise darauf, dass das Fucoidan aus Braunalgen auch bei Rheuma, Arthrose, Nierenschwäche, Herz-Kreislauf- und Darm-Erkrankungen hilft.
Was Algen sonst noch können
Algen wachsen viel schneller als andere Pflanzen. Sie produzieren so auf die gleiche Fläche bezogen rund 30-mal so viel Öl wie Raps oder Mais und erreichen fünf- bis zehnmal höhere Biomasseerträge gegenüber Gefäßpflanzen (wie Gräser oder Bäume). Daher erhofft man sich von der Algenzucht auch eine kostengünstige und umweltverträgliche Produktion von Düngern, Futtermitteln, Feinchemikalien, Biokunststoffen und nicht zuletzt Biokraftstoffen. Weltweit wird an Verfahren geforscht, mit denen man in großem Maßstab und zu geringen Kosten Algendiesel, Algenbiogas oder Algenwasserstoff produzieren kann.
Es gibt aber auch Anwendungen für Algenprodukte, die traditionell praktiziert werden und die dem Klimaschutz dienen: So speichert Seegras zum Beispiel langfristig viel Kohlendioxid im Meeressediment. Nach ihrem Absterben lässt sich die Pflanze als natürliches und schwer entflammbares Dämmmaterial nutzen. So ist es an der Nordsee seit Jahrhunderten Brauch.
Heute denkt man den Einsatz von Algen als Baustoff neu: Forscher*innen aus München und Aachen haben einen Weg gefunden, aus der Salzwasseralge Microchloropsis salina nachhaltige Carbonfasern herzustellen. Und das ist sicher erst der Anfang.
Sie möchten wissen, welche Nährstoffe Algen enthalten und wie Sie sie am besten zubereiten? Dann lesen Sie auch unsere Beiträge »Diese 5 Algenarten sollten Sie kennen« und »Wie gesund sind Algen?«.
Text: Torsten Mertz
Bearbeitet durch die Online-Redaktion (vk, ar)
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