Balneotherapie: Wasser kann heilen
In der ersten Folge unserer Serie »Die Welt der Alternativ-Therapien« erklärt Ihnen Dr. med. Isabel Bloss, was die Balneotherapie ist und wie sie angewendet wird.
27.08.2022
Balneotherapie – eine Therapieform mit Geschichte
Schon die alten Römer wussten: Wasser kann heilen. Im 1. Jahrhundert vor Christus wurde die Balneotherapie (lateinisch balneum – »Bad«) erstmals von dem griechischen, in Rom lebenden Arzt Asklepiades von Prusa angewendet und fand so Eingang in die Geschichtsbücher. Bereits damals wurden kaltes und warmes Wasser eingesetzt, um Krankheiten zu heilen, zu lindern oder ihnen vorzubeugen.
Was ist der Unterschied zwischen der Balneotherapie und der Hydrotherapie?
Der Unterschied zur klassischen Hydrotherapie, etwa der Kneipp-Therapie, besteht vor allem darin, dass bei der Balneotherapie nicht mit purem (Leitungs-)Wasser, sondern mit einem höheren Gehalt an gelösten Stoffen und Mineralien gearbeitet wird. Neben Bädern kommen daher auch Trinkkuren und Inhalationen zur Anwendung. Allgemein gilt: Von Heilwasser spricht man erst dann, wenn pro Liter Wasser mindestens ein Gramm gelöste Mineralstoffe enthalten sind. Klassischerweise werden bei der Balneotherapie Sole-, Schwefel- und Peloid-, das heißt Moorbäder eingesetzt. Beispiele sind Thermalbaden, das Baden in Totem-Meer-Salz oder die in Meeresnähe angebotene Thalasso-Therapie mit Produkten aus dem Meer wie Algen, Meeressalze und -schlick.
So wirkt die Balneotherapie
Bei der Balneotherapie werden die im Wasser gelösten Mineralstoffe über die Haut resorbiert. Die Mineralien gelangen so in geringer Konzentration in den Blutkreislauf und können dort ihre heilende Wirkung entfalten. Dadurch verbessern sich die periphere Blutzirkulation und die Blutdruckregulation, die Förderleistung des Herzens wird erhöht. Je nach Beschwerdebild erfährt die Haut eine juckreizlindernde, barrierestärkende oder feuchtigkeitsspendende Behandlung. Darüber hinaus werden die gelösten, heilenden Stoffe (Aerosole) über die Atemwege aufgenommen.
Je nach Zusammensetzung des Heilwassers kann die Balneotherapie zu unterschiedlichen Effekten im Körper führen, etwa den Stoffwechsel anregen, Schmerzen lindern, Muskeln entspannen oder durchwärmend wirken. Hauptsächlich angewendet wird eine Balneotherapie bei
- Arthrose
- chronischen Schmerzzuständen
- Fibromyalgie
- rheumatoider Arthritis
- Neurodermitis
- Stress
- der Rehabilitation nach Sport- und Unfallverletzungen
- der Stärkung des vegetativen Nervensystems bei Überlastungen
Wirkt die Balneotherapie?
Die Balneotherapie ist zwar gut erforscht – ob sie jedoch eine langanhaltende Wirkung hat, ist nach neueren Erkenntnissen nicht ganz eindeutig. So konnte eine 2015 durchgeführte Studie mit 579 an rheumatoider Arthritis erkrankten Teilnehmer*innen die Wirksamkeit von Schlammpackungen im Vergleich mit einem Scheinmedikament nicht nachweisen. Dafür scheinen Nebenwirkungen eher moderat auszufallen: Kurz anhaltende Hautausschläge gelten als die am häufigsten angegebene Nebenwirkung der Balneotherapie. Sie sollten auch darauf achten, nicht auf nassen Flächen auszurutschen.
Werden die Kosten einer Balneotherapie von der Krankenkasse übernommen?
Ob die Kosten der Behandlung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, hängt von Art und Schwere der zu behandelnden Erkrankung ab. Daher empfiehlt sich vor Therapiebeginn die Rücksprache mit Ihrer Krankenkasse. Bevor Sie sich für eine Balneotherapie entscheiden, ist es außerdem unerlässlich, Vorerkrankungen und Risikofaktoren gründlich zu prüfen. Dazu zählen beispielsweise offene Wunden, akute Infekte, ein neu aufgetretener Bluthochdruck und akut entzündliche Schübe einer chronischen Erkrankung wie Arthrose. Vorsicht ist geboten in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Säuglingen und Kleinkindern. Im Zweifel sollten Sie Rücksprache mit Ihrer behandelnden Ärztin halten.
So wird die Balneotherapie angewendet
Solebäder/Soleinhalationen
Das Heilwasser enthält einen hohen (Meer-)Salzanteil von bis zu sechs Prozent. Geeignet ist das Solebad vor allem bei Hauterkrankungen und rheumatischen Erkrankungen.
Bewegungsbad
Bei dieser Anwendung, die viele vom Gang ins Thermalbad kennen, werden Auftrieb und Wärme des Wassers genutzt, um die Muskeln zu trainieren, die Durchblutung zu fördern und fasziale Verklebungen, die oft schmerzhaft sind, sanft zu lösen. Sehr gut geeignet ist das Bewegungsbad daher bei chronischen Rückenschmerzen, Schulter- und Armschmerzen, Arthrose und Osteoporose.
Sauerstoffbad
Während des Badens in einer Badewanne wird dem Wasser Sauerstoff zugeführt. Das Sprudelbad regt die Durchblutung an und eignet sich gut bei chronischen, degenerativen Gelenkerkrankungen.
Schwefelbad
Ein Bad in schwefelwasserstoffhaltigem warmem Wasser wirkt leicht antibakteriell und gut bei chronischen Hauterkrankungen und schmerzhaften Gelenken. Achtung: Bitte nicht im Akutstadium oder bei offenen, aufgekratzten Hautarealen anwenden.
Moorbad
Teil- oder Vollbäder mit Badetorf sind bei fortgeschrittener, schmerzhafter Arthrose sehr wirkungsvoll, ebenso bei chronischer Epicondylitis (Tennisellenbogen). Vorsicht ist im Allgemeinen bei akuten Gelenkentzündungen geboten, die mit einer Rötung einhergehen.
Weitere Anwendungen der Balneotherapie
- Jodbäder
- Kleie-und Eichenrindenbäder
- Anwendungen mit Kohlensäure, etwa bei Bluthochdruck
- Anwendungen mit ätherischen Ölen wie zum Beispiel Fichtennadel- oder Lavendelöl bei Schlafstörungen oder nervöser Erschöpfung
6 Tipps für Ihre Balneotherapie
- Gehen Sie möglichst nicht mit vollem Magen baden.
- Die Badedauer sollte anfangs nicht mehr als 20 bis 25 Minuten betragen.
- Baden Sie nicht, wenn Sie offene Wunden, einen akuten Infekt oder einen entzündlichen Schub einer chronischen Erkrankung haben.
- Wichtig für einen therapeutischen Effekt ist die regelmäßige Anwendung: Baden Sie etwa einmal wöchentlich oder alle zwei Wochen.
- Nach dem Bad ist es ratsam, in einem vorgewärmten Bademantel und/oder einer Decke ca. 20 Minuten nachzuruhen und ca. 0,5 Liter stilles Wasser zu trinken, um den Stoffwechsel anzuregen und zu unterstützen.
- Gute Balneotherapeut*innen finden Sie unter baederkalender.de » und kurkliniken.de ».
Fazit
Das Heilbaden in warmem und mit Mineralien angereichertem Wasser hat eine gute Wirkung auf Körper, Seele und Geist. Aus ärztlicher Sicht kann die Balneotherapie daher eine sehr gute, eher nebenwirkungsarme und leicht durchzuführende Heilmethode für eine Vielzahl an Beschwerden sein.
Text: Dr. med. Isabel Bloss
Bearbeitung durch die Onlineredaktion (ar)
Dr. med. Isabel Bloss » ist Ärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilmedizin, anthroposophische Medizin sowie Traditionelle Chinesische Medizin (TCM). Sie ist in eigener Praxis in Ettlingen tätig, seit 2021 berät und behandelt sie Erwachsene, Kinder und Jugendliche auch online. Außerdem arbeitet sie als freiberufliche Medizinjournalistin und Fachautorin. Diese Kolumne schreibt sie im Wechsel mit Prof. Dr. Andreas Michalsen », Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin.
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