Meditation: Kraftquelle für Leib und Seele
In der vierten Folge unserer Serie »Die Welt der Alternativ-Therapien« erklärt Ihnen Prof. Dr. med. Andreas Michalsen, wie positiv sich regelmäßiges Meditieren auf unsere Gesundheit und das tägliche Leben auswirkt.
04.01.2023
Meditation – Ruhe für den Geist
Auf den ersten Blick erscheint Meditation als etwas sehr Einfaches und wirkt vielleicht etwas langweilig. Still sitzen und ruhig sein ... Genau diese Stille, dieses Nichtdenken und Nichtstun ist es jedoch, was Meditation einzigartig macht. Denn sonst im Leben sind wir immer aktiv, tun oder denken etwas – außer im Schlaf, aber da träumen wir. Meditation ist also die einmalige, komplette Ruhe für unser Gehirn, für unsere Gefühle und unseren Körper – und das hat enorme positive gesundheitliche Wirkungen, wie unzählige wissenschaftliche Studien inzwischen belegen konnten.
Das Nichtdenken ist letztlich das entscheidende Kriterium bei einer Meditation. Zentral ist hier also die gewusst gewählte Erfahrung der Stille, die Unterbrechung des in unserem Alltag permanent fließenden Gedankenstroms. Für die meisten Menschen ist der erste Meditationsversuch mit der Einsicht verbunden, wie schwer es ist, nicht zu denken.
Wie wirkt Meditation?
Meditatio bedeutet von seinem lateinischen Ursprung her »zur Mitte ausrichten«. Es ist eine Rückkehr zu einer vorsprachlichen Erfahrung. Wir alle haben schon ein Bewusstsein gehabt, bevor wir sprechen konnten. Sobald die Sprache da ist, dominiert sie alles. Und so erfolgreich sie unser Leben gestaltet, so sehr kann sie uns behindern beim Versuch, zu entspannen und zur Ruhe zu kommen.
Schon vor mehr als zwei Jahrzehnten haben Stressforscher*innen darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur stressige Situationen anstrengend sind – das Nachdenken darüber ist es genauso. Sorgen, Grübeleien und ein Sich-im-Kreis-Drehen der Gedanken können den Körper in Dauerstress versetzen. Dabei bringt das Sorgen und Grübeln meist keine Lösung, denn viele Probleme lassen sich durch Denken allein nicht lösen. Durch Stillsein und Nichtdenken hingegen können wir zu Einsichten kommen, die uns durch Nachdenken nicht möglich wären. Darüber hinaus öffnet Meditation einen spirituellen Zugang zum Leben – wenn man es denn möchte.
In unserem heutigen stressreichen und beschleunigten Alltag bietet Meditation zahlreiche gesundheitliche Vorteile. So hilft Meditation nachweislich bei folgenden Beschwerden:
- chronische Schmerzen
- Bluthochdruck
- Depression
- als ergänzende Therapie nach einem Herzinfarkt oder einer Krebserkrankung
Hilfe bei chronischen Schmerzen
Tatsächlich ist der Effekt bei chronischen Schmerzerkrankungen eine der spannendsten Wirkungen von Meditation. Wer regelmäßig meditiert, empfindet Schmerzen als deutlich weniger stark, auch wenn die eigentliche Ursache der Schmerzen nicht beeinflusst wird. So wurde Studienteilnehmer*innen ein Schmerzreiz – ein Nadelstich oder Hitze – zugefügt und anschließend im Kernspintomograph die Aktivierung des Schmerzzentrums im Gehirn untersucht. Bei Menschen, die regelmäßig meditieren, wurde nur die Hälfte der Nervenzellen im Schmerzzentrum aktiviert.
Meditation führt also nicht nur zum besseren Aushalten von Schmerz, sondern sogar zur realen Reduktion der Wahrnehmung des Schmerzes im Gehirn, dem eigentlichen Ursprungsort des Schmerzes. Vor allem bei chronischen Erkrankungen, die meist nicht ausgeheilt werden können, ist Meditation sehr wohltuend, da sie das Akzeptieren von Symptomen schult, die sich nicht mehr wegtherapieren lassen. Und weil völlige Gesundheit für fast niemanden lebenslang zu erreichen ist, macht das den Ansatz der Meditation so wertvoll.
Wie hängen Meditation und Konzentration zusammen?
Unabhängig von der jeweiligen Methode löst die Meditation eine tiefe körperliche Entspannung aus. Das Gehirn spricht in einem Maße auf Meditation an, dass man fast den Eindruck bekommen könnte, sie sei ein Programm, auf das der Körper nur gewartet hat. Meditation hilft, dem Alltagsstress etwas entgegenzusetzen und ist sozusagen Urlaub vom Kopfkino. Neben den medizinischen Vorteilen ist ein angenehmer Nebeneffekt von Meditation, dass sie die Konzentrationsfähigkeit steigert. Daher meditieren auch viele Profisportler*innen und Topmanager*innen. Ein weiterer Vorteil von Meditation ist, dass sie weder Ausrüstung benötigt noch große Kosten entstehen. Sie benötigen lediglich eine ruhige Sitzecke – aber achten Sie darauf, dass Sie nicht gestört werden und das Handy auf Flugmodus steht!
Traditionelle Meditationsformen
Sämtliche Formen von Meditation berücksichtigen das Wissen, dass es für den Menschen ziemlich schwer ist, nicht zu denken. Um ihm das zu erleichtern, werden verschiedene traditionelle Hilfsmittel als Ablenkungen angewandt. Bei einigen aus dem Yoga und dem Buddhismus kommenden Meditationsformen wird die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, den eigenen Atem zu beobachten. Denn auch wenn wir still sitzen und nicht denken – der Atem fließt weiter. Bei anderen traditionellen Techniken wird in Gedanken eine Wortfolge, ein Mantra, wiederholt, um den Geist zu beschäftigen. BIO stellt Ihnen die fünf beliebtesten Meditationsarten » vor.
Meditation lernen
Probieren Sie Meditation einfach mal aus. Am Anfang sind 15 bis 20 Minuten ideal, die besten medizinischen Wirkungen lassen sich bei 30 bis 40 Minuten täglich erzielen. Das klingt nach viel Zeit, gerade wenn man schon unter Stress leidet, meist aber verbessern sich durch Meditation der Schlaf und die Vitalität, sodass die Zeit wieder „reingeholt“ wird. Der Ablauf ist denkbar einfach:
- Sie suchen sich eine bequeme Sitzposition, in der Sie möglichst längere Zeit, ohne sich zu bewegen, verweilen können.
- Dann denken Sie sich eine Wortfolge aus, das kann ein Satz oder ein Wort wie „Liebe“ oder „Frieden“ sein, oder auch eine Wortfolge, die zusammenhängt mit der Religion oder spirituellen Ausrichtung, der Sie angehören oder sich verbunden fühlen.
- Sitzen Sie ruhig, schließen Sie entspannt die Augen und konzentrieren Sie sich auf die Dunkelheit vor Ihnen (wie eine Kinoleinwand, auf die man blickt, während man auf den Beginn des Films wartet).
- Eventuell tauchen dann auch Bilder auf, die Sie einfach in Ruhe beobachten, während Sie die von Ihnen gewählte Wortfolge langsam und still wiederholen.
Manchmal schläft man bei der Meditation ein, dann beginnt man einfach noch mal. Für manche Menschen ist hilfreich, einen Meditationskurs zu besuchen. Wer es digital mag, kann auch eine der vielen Meditations-Apps ausprobieren.
Text: Prof. Dr. med. Andreas Michalsen
Bearbeitung durch die Onlineredaktion (cf)
Prof. Dr. med. Andreas Michalsen » ist Professor für Klinische Naturheilkunde der Charité Berlin und Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Ernährungsmedizin, das Heilfasten und die Mind Body-Medizin. Diese Kolumne schreibt er im Wechsel mit Dr. Isabel Bloss », Ärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilmedizin, Anthroposophische Medizin und Traditionelle Chinesische Medizin.
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