Psychologie

Narzissmus: So gehen Sie mit Liebes- und Energieräubern um

Wer schon einmal Begegnung mit einem krankhaften Narzissten hatte, weiß um die Schwierigkeiten, mit solchen Menschen umzugehen. BIO erklärt das Krankheitsbild und gibt Tipps, wie Sie sich gegen die Narzissten in Ihrem Umfeld schützen können.

15.06.2020

Narzissmus: So gehen Sie mit Liebes- und Energieräubern um  | Persönlichkeitstypen Narzissmus Nein sagen Abgrenzung Psychologie

In diesem Beitrag erfahren Sie

Narzisstische Neigungen und ein gewisses Maß an Selbstliebe gehören zu unserem Menschsein einfach dazu. Krankhafte Narzissten dagegen sind eine Belastung – für sich und ihre Umwelt. Einen solchen zu erkennen, ist gar nicht so einfach. Und noch schwerer kann es sein, sich aus einer Beziehung mit einem krankhaft ichbezogenen Menschen zu lösen.

Was ist Narzissmus?

Generell versteht die Wissenschaft der Persönlichkeit und Sozialpsychologie unter Narzissmus eine Variante menschlichen Charaktertyps mit einer sehr hohen Selbstwertschätzung und Ichbezogenheit. Hinter der oftmals glamourösen Fassade eines solchen Menschen kann sich eine ausgewachsene narzisstische Persönlichkeitsstörung verbergen.

Die Grenzen zwischen einem gesunden Menschen und einer Persönlichkeit mit einer klinisch bedeutsamen narzisstischen Ausprägung sind allerdings fließend, denn narzisstische Neigungen und eine gesunde Selbstliebe gehören zum Menschsein dazu. In seiner schwach ausgeprägten Form ist der narzisstische Persönlichkeitsanteil sogar mit positiven Eigenschaften verbunden, darunter:

  • ein gesundes Selbstbewusstsein
  • der berechtigte Stolz auf gute Leistungen
  • Mut und Entschlussfähigkeit in Bezug auf neue Herausforderungen
  • eine schnelle Verarbeitung von Misserfolgen

Leicht narzisstische Menschen leiden seltener unter psychischen Krankheiten und fühlen sich fast immer gut in ihrer Haut. Erst im Zusammenspiel mit fehlender Empathie, der Unfähigkeit, zwischenmenschliche Beziehungen gut zu gestalten, mangelnder Rücksichtnahme, starkem Dominanzverhalten und der Unfähigkeit zur Selbstkritik wird daraus eine Krankheit. Und die ist – wie Zwillingsstudien bewiesen haben – zum Teil sogar genetisch bedingt.

Kriterien für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung

Laut Prof. Dr. med. Claas-Hinrich Lammers, Facharzt für Psychotherapie liegt eine narzisstische Persönlichkeitsstörung vor, wenn mindestens fünf von neun der folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • Grandioses Gefühl für die eigene Wichtigkeit
  • Überzogene Fantasien von Erfolg, Macht, Reichtum, Schönheit und Liebe
  • Glaube an die Einzigartigkeit der eigenen Person und daran, dass nur besondere Menschen das zu würdigen wissen
  • Verlangen nach grenzenloser Bewunderung
  • Übersteigerte Anspruchshaltung
  • Von Ausbeutung gekennzeichnete Beziehungen
  • Mangel an Empathie
  • Neidgefühle
  • Arroganze Verhaltensmuster

Welche Typen von Narzissten gibt es?

Die Wissenschaft unterscheidet in der krankhaften Form drei verschiedene Typen von Narzissten, die alle eine dysfunktionale Selbstwertregulation aufweisen:

  1. Den hoch funktionalen, exhibitionistischen Typ: Er ist zumeist erfolgreich im Beruf und verspürt keinerlei Leidensdruck.
  2. Den grandios-bösartigen, offenen Typ: Er hat ein deutlich gesenktes Anpassungsvermögen an soziale Situationen, einen Mangel an Empathie und ein ausbeuterisches Verhalten in zwischenmenschlichen Kontakten sowie eine Neigung zu Aggression und Wut.
  3. Den verwundbaren, verdeckten Typ: Er zeigt kaum selbstidealisierende Tendenzen und wird von der Umwelt eher als eine depressive, ängstliche und selbstunsichere Persönlichkeit erlebt.

Studien weisen darauf hin, dass traumatisierende und negativ aufgeladene Situationen in der Kindheit zumindest die letztere Form von Narzissmus befördern können. Welcher Typ auch immer sich in Ihrem Leben einnistet: Ein krankhafter Narzisst kann Ihnen das Leben zur Hölle machen.

Warum fällt man auf narzisstische Persönlichkeiten herein?

Dass viele Menschen erst einmal auf Narzissten hereinfallen, ist nicht verwunderlich und hat nichts mit eigener Charakterschwäche zu tun. Denn auf den ersten Blick sind Narzissten gar nicht so leicht zu erkennen. Dazu spielen sie ihre Rolle in den ersten Wochen und Monaten einfach zu gut. Jedenfalls so lange, bis sie den begehrten Menschen am Haken haben – man spricht in diesem Zusammenhang auch oft von Love Bombing. Dabei überschüttet die Person mit der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sein Gegenüber zu Beginn des Kennenlernens geradezu mit Zuneigung und Aufmerksamkeit, oft mit einem Hang zur Übertreibung.

Prof. Dr. med. Claas-Hinrich Lammers erklärt: »Gerade Narzissten des Typs eins haben zum Teil sehr gut ausgeprägte kognitive Fähigkeiten, wenn auch nicht auf einer emotionalen, sondern auf einer intellektuellen Ebene. Als möglicher Partner oder Partnerin fühlt man sich durch das abgebrannte Feuerwerk eitler Selbstdarstellung erst einmal beeindruckt. Und in der ersten Zeit vermag es so mancher Narzisst ja auch, seinem Gegenüber respektvoll und wertschätzend zu begegnen. Erst wenn der Alltag sozusagen die Schminke wegwischt, zeigen sich die charakterlichen Defizite eines Narzissten in aller Deutlichkeit.«

Erst nach ein paar Wochen oder Monaten, wenn das Gegenüber dem Narzissten vertraut, verändert sich dessen Verhalten. Oftmals kritisiert der Narzisst seine Partner und Partnerinnen übermäßig, macht sie klein, während er sich weiterhin als erfolgreich und überlegen darstellt. An diesem Punkt befinden sich viele Menschen, besonders in Liebesbeziehungen, leider bereits in einer Abhängigkeit zum Narzissten und verstehen das sich plötzlich veränderte Verhalten nicht. Auch die Isolation von Vertrauenspersonen fällt in diese Phase, wodurch es den Partnern und Partnerinnen umso schwerer fällt, sich aus diesen psychisch-missbräuchlichen Beziehungen früh zu lösen. Dies geht meisten auch mit einem Gefühl der Scham einher, sich auf diese Weise behandeln zu lassen.

Oft, aber nicht immer, wenden Narzissten auch das sogenannte Gaslighting an, eine Form von psychischer Gewalt, bei der dem Gegenüber das Gefühl gegeben wird, seine Wahrnehmungen und Gedanken seien falsch und unwichtig. Wissenschaftlich spricht man auch von Invalidierender Kommunikation. Die Opfer dieser Manipulation werden hierdurch oft verunsichert, zweifeln an sich selbst und hinterfragen ihre eigene Wahrnehmung der Realität. Dies verstärkt meist das Machtgefälle und die Abhängigkeit zwischen dem Narzissten und seinem*r Partner*in.

Wie geht man mit Narzissten um?

Können wir einem Narzissten in der Partnerschaft noch durch Trennung entkommen, sind wir anderen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert: Als Arbeitnehmer*in in der Firma können Sie Ihrem narzisstischen Chef oder Ihrer Chefin – kurzfristig gesehen – nicht einfach ausweichen.

Daher ist es wichtig, sich von solchen Personen richtig abgrenzen zu können. Die Heilpraktikerin für Psychotherapie Ulrike Fuchs » rät dabei zu folgenden 12 Tipps im Umgang mit Narzissten: 

  1. Lassen Sie sich nicht blenden.
  2. Bleiben Sie emotional unabhängig.
  3. Stärken Sie ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstsicherheit.
  4. Nehmen Sie das narzisstische Verhalten nicht persönlich.
  5. Machen Sie sich keine Vorwürfe, Narzissten sind beziehungsunfähig.
  6. Nehmen Sie die Warnsignale ernst und reflektieren Sie die Situation.
  7. Achten Sie auf sich und Ihr Wohlbefinden.
  8. Schützen Sie sich vor emotionalem Missbrauch.
  9. Zählen Sie auf die Fakten und ignorieren Sie die Strategie »Opferrolle«.
  10. Sprechen Sie mit anderen Menschen über Ihre Erfahrungen.
  11. Lernen Sie, Nein zu sagen und zeigen Sie klar und deutlich Ihre Grenzen auf.

Sollten Sie oder Angehörige in einer ausbeuterischen, missbräuchlichen Beziehung zu einem Narzissten stehen, vertrauen Sie sich Ihrem Umfeld an und nehmen Sie, wenn Sie möchten, professionelle, psychologische Hilfe in Anspruch, um sich aus der Beziehung zu lösen oder diese zu verarbeiten. BIO wünscht Ihnen viel Kraft dabei!

Text: Annette Lübbers
Bearbeitung durch die Onlineredaktion (ar)

Dieser Beitrag stammt aus 

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